Spät im Bett zu sein ist zwar toll, wenn man noch einiges geschafft bekommt, doch dann wieder früh aufzustehen, steht wiederum in Konflikt dazu. Tja, am Abend vorher hatten Julia und ich noch besprochen, uns den Sonnenaufgang und die Eröffnungszeremonie mit dem Transport des heiligen Buches in den Goldenen Tempel anzugucken. Das setzte natürlich zwangsläufig ein frühes Aufstehen voraus, was in meinem Fall mit wenig Schlaf endete. Um 5 Uhr waren wir bereits im Tempel und es war noch leicht frisch, wenn man das ins Verhältnis zu den tagsüber normalen heißen Temperaturen setzt. Den Sonnenaufgang genoss ich in Julias Gesellschaft. Wir machten einige Fotos vom Tempel mit dem Sonnenaufgang und vom neben uns sitzenden Kind mit seinem Vater.
Als es dann mit dem Transport des Buches losgehen sollte, war dort wieder eine große Menschenmenge versammelt. Einmal kam ein Mann mit einem Mantel auf uns zu und wollte irgendetwas von uns, was wir nicht genau verstanden. Darum lehnten wir dankend ab. Kurz danach kam ein weiterer Mann, der, wie wir nach einiger Zeit erst verstanden, uns schützen wollte und annahm, dass der Mann mit dem Mantel schnell mal etwas hätte klauen können bzw. wurde ihm unterstellt, dass er etwas stehlen wollte. Mann zwei war nämlich Polizist und sprach leider kein Englisch, sodass andere Leute uns bei der Übersetzung behilflich waren. Wir beschwichtigten den Verdacht, da der Mann mit dem Mantel weder etwas gemacht hatte, noch irgendwelche scheinbaren Absichten angedeutet hatte. Nachdem das Buch wieder an Ort und Stelle im Goldenen Tempel war, drängten sich bereits viele Leute Richtung Tempel. Deshalb beschloss ich, mir den Tempel später anzugucken, weil es mir momentan einfach zu voll war. Dies sollte sich später auch nicht ändern. Die ganze Zeit, während wie zurückgingen, fanden wir immer wieder im Wasser badende Männer vor. Für Frauen gab es zusätzlich so eine Art Container im Wasser, den die Frauen für ihr heiliges Bad nutzen konnten.
Julia und ich gingen anschließend zur Kantine, die bald geöffnet werden sollte. Vor den noch geschlossenen Türen standen bereits sehr viele Leute und einige freiwillige Helfer schibbelten bereits an Knoblauch und anderen Sachen rum. Da ich nicht untätig rumstehen wollte, setzte ich mich zu den Knoblauchschälern dazu und half mit. Es war eine mühsame Arbeit, weil die Knoblauchzehen besonders klein waren. Als die Türen endlich geöffnet wurden, bewegte ich mich mit Julia auch zum Essenssaal, wobei wir dieses Mal den oberen nehmen mussten. Der untere war bereits voll. Dass hier noch ein weiterer existierte war mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen. So bekam ich die Chance, von der oberen Etage noch einige schöne Fotos der Umgebung zu machen und drinnen genoss ich das leckere Frühstück mit dem von mir so favorisierten Kokosnussmilchreis. Nach dem Essen legte ich mich nochmal eine kleine Runde hin und packte anschließend meine Sachen für die heutige Abreise. Julia hatte mit Henry, den wir gestern Abend kennengelernt hatten, beschlossen, heute Nachmittag zur Grenze Richtung Pakistan zu fahren, wo jeden Abend eine Grenzzeremonie abgehalten wird. Diese wollte ich unbedingt sehen und wenn sich hier eine Gruppe für eine gemeinsame Fahrt findet, bietet es sich an das Taxi zu teilen. Jedenfalls ist es das Einfachste und wohl auch der günstigere Weg dort hinzukommen.
Nach dem Packen ging ich ein weiteres Mal frühstücken, weil ich noch immer hungrig war und im Anschluss teilte ich ca. 1,5 Stunden lang Tabletts an die ankommenden Gäste aus. Man sah in einigen Gesichtern Verwunderung, viele wollten von mir einfach kein Tablett haben, bis die mit mir austeilenden Personen die Leute zu mir schickten und diesen Gästen einfach keine Tabletts gaben. Es muss wohl am Sonntag liegen, dass der Besucherandrang heute im Vergleich mit gestern so groß ist. Ich teilte einige Tabletts auch an Ausländer aus, wo denen ich einen Franzosen wiedererkannte, der im Anschluss an sein Frühstück auch Tabletts austeilte.
Gegen kurz vor 12 Uhr beschloss ich mit dem Tablettausgabe aufzuhören, weil ich zur Tempelbesichtigung verabredet war.
So ging ich mit einem Mädel in die lange Tempelschlange, in der unheimlich viel gedrängelt, gedrückt und geschoben wurde. Einige Personen kamen gerade so wieder raus, weil es wohl zu stickig und erdrückend war. Die Sonne stand zur Mittagszeit natürlich am Höchsten und brannte richtig. Kurz vor dem Tor wurde man endlich in eine abgesperrte Reihe gedrängt, durch die man eine Führung bekam, aber dem Gedrängel natürlich nicht entkommen konnte. Von außen wurde Wasser in die Menge hereingereicht und ich genehmigte mir auch etwas Wasser, was wirklich gut tat. Der Weg bis zum Tempel selber war noch ein ganzes Stück weg.
Nach ca. 1,5 Stunden war ich endlich im Tempel, in dem keine Fotos gemacht werden durften, woran ich mich auch ausnahmsweise einmal hielt. Im Tempel war es wunderschön geschmückt, es wurde sehr schöne Musik gespielt und ich fand viele betende Leute vor. Außerdem wurde aus dem Heiligen Buch vorgelesen. Nach einem ersten Eindruck von der untersten Etage ging ich auf die nächst höhere Ebene, die auch sehr schön geschmückt war. Von dieser konnte man in den Außenbereich gehen konnte, musste aber aufpassen, nicht auf dem weißen von der Sonne beschienenen Marmor zu laufen, da der unheimlich heiß war. Von dieser Etage hatte ich eine wunderschöne Aussicht auf das umliegende Tempelgelände und machte Fotos, da diese ja nicht den Goldenen Tempel selber betrafen.
Im Tempel hätte ich mich am liebsten ein Weilchen hingesetzt, weil es dort so schön war, aber die Zeit ließ es leider nicht zu, da das Warten in der Schlagen ein bis anderthalb Stunden gedauert hatte. So ging ich alleine zurück, unter der Annahme, dass meine Begleiterin schon lange draußen war. Wir hatten uns im Geschiebe der Menge verloren. Vom Tempel ging ich direkt zum Mittagessen und die wenige Zeit bis zum Treffen um 15 Uhr verging auch wie im Flug.
Ich war wie die anderen auch pünktlich um 15 Uhr am Treffpunkt, doch aus der Abfahrt wurde natürlich 15.30 Uhr. Laut dem Taximanager würden wir trotzdem pünktlich kommen und das taten wir auch. Im Taxi saßen neben mir Julia, Henry aus England, ein Mädel aus USA und ein Mädel aus Kanada, die momentan in der Schweiz arbeitet. Ich setzte mich vorne zum Fahrer, damit es passte und kam mir damit leicht von der Gruppe ausgegrenzt vor, da ich so abseits der Gruppe saß. Vorne hatte ich immerhin den meisten Platz. An der Grenzstation angekommen, setzten wir uns kurz in ein Café, bevor es abschließend letzte Anweisungen seitens unseres Führers gab, wie wir zum Veranstaltungsort kommen. Wir gingen geschlossen in der Gruppe los, bis der Führer und ich durch Soldaten auf Pferden von der restlichen Gruppe getrennt wurden. An dieser Stelle verabschiedete sich der Führer und sagte mir, dass ich nur geradeaus und vor dem Eingang links den VIP-Eingang nehmen müsse. Die Gruppe war natürlich klasse, weil sie nicht auf mich gewartet hatten, sondern einfach vorgegangen waren.
Am VIP-Eingang wollte ich an einem Wachposten einfach so vorbeigehen, doch dieser ließ mich nicht passieren. Ich musste meinen Reisepass vorzeigen, der natürlich im Zimmer im Schrank eingeschlossen lag. Damit kam ich nicht rein. Der Haupteingang sowie die Nebeneingange für Inder waren bereits voll und geschlossen. Dort verwies man mich wieder an den VIP-Eingang. Als ich nach mehrmaligem hin- und herlaufen und rumfragen nicht weiterkam und nur noch sah, dass ich mir die Zeremonie, für die ich extra hergekommen war, nicht ansehen konnte, staute sich in mir eine Wut auf und ich schmettere meine mitgebrachte Wasserflasche auf den Boden, die danach in der Menge irgendwo verschwand. Ich kam mir so verarscht vor, immer wieder von einer Stelle zur anderen geschickt zu werden. Also ging ich wieder zum Eingang zurück, wo man mir sagte, dass ich dort nicht langgehen könne, was ich aber trotzdem tat, weil mir einfach alles egal war. Daraufhin hielt man mich auf und fragte nach meinem Problem. Ich versuchte dem Offizier das Problem zu schildern, sich eine Soldatin mit sehr gutem Englisch ranholte, weil seines nicht gut genug war. Diese verstand alles und erklärte es dem ranghöheren Offizier, der mich daraufhin an die Hand nahm und mit mir im Schlepptau zum VIP-Eingang ging. Nach einem kurzen Gespräch mit der Kontrollperson kam ich ganz plötzlich doch rein. Ich ging den Weg entlang, kam auf eine Personenkontrollwache, die mein Schweizer Messer fand und es bis zum Ende der Zeremonie zur Verwahrung an sich nahm. Ich notierte mir den Namen des Soldaten, um ihn nachher wiederfinden zu können.
Anschließend ging ich zur Tribüne und suchte mir einen Sitzplatz, da ich meine Gruppe in der Menge nicht fand. Auf der Straße nach Pakistan tanzten einige Frauen zur Musik und es wurde ein Rennen mit der indischen Flagge die Straße rauf und runter gemacht. Danach wurde die Straße geräumt, ein Mann kommentierte die Zeremonie und feuerte die Menge immer wieder an. Die Soldaten stellten sich auf und ein ranghöherer Soldat brüllte etwas in das Mikrofon und bewies dabei einen richtig langen Atem, einfach unglaublich. Die ganze Zeremonie lässt sich schwer in Worte fassen, daher habe ich auch möglichst viel davon auf Video aufgenommen.
Jedenfalls marschierten ein paar Soldaten mit sehr schnellem Schritt die Straße auf und ab.
So etwas Ähnliches fand wohl auch auf der anderen Seite in Pakistan statt, von wo zeitweise Jubel und Applaus herüber schallte. Dann wurden die Tore von Pakistan und Indien geöffnet, man gab sich an der Grenze kurz die Hand, anschließend wurde die jeweilige Fahne niedergeholt, das Tor wieder verschlossen und die Fahne sicher im Haus verstaut.
Damit endete die Zeremonie.
Im Anschluss daran fand ich die Gruppe wieder, ging mit ihr zum Toreingang, suchte anschließend den Soldaten mit meinem Messer und ging dann gemütlich mit der Gruppe zurück zum Taxi. Dort kauften wir uns für 10 Rs noch eine leckere Kleinigkeit zu Essen und fuhren zurück zum Goldenen Tempel. Auf dem Weg kamen wir an einem sehr schönen beleuchteten Gebäude vorbei, wo wir für ein Foto hätten anhalten können, aber da ich der einzige war, der das wollte, verzichtete ich auf den Stopp. Zurück in Amritsar bezahlten wir den Fahrer, kauften uns noch ein paar leckere Sachen bei den kleinen mobilen Snack-Verkäufern und gingen zurück zur Unterkunft. Ich ging noch einmal schnell eine Runde Abendessen, schnappte mir meine Sachen, verabschiedete mich von allen, die ich kennengelernt hatte und marschierte mit dem Gepäck zum Zugbahnhof. Die Busse vom Goldenen Tempel zum Zugbahnhof fuhren nicht mehr, weil es dafür bereits zu spät war. Unterwegs guckte ich mich nach einer Mitfahrgelegenheit um, fand aber keine. Also lief ich so schnell ich konnte zum Zugbahnhof, da ich mal wieder ein knapp dran war. Kurz vor dem Bahnhof, ich hatte bereits mehr als die Hälfte der Strecke zum Zugbahnhof zurückgelegt, nahm ich mir eine Fahrrad-Rikscha, die mich für 20 Rs zur Zugbahnhofsrückseite bringen wollte, aber ich handelte auf 10 Rs runter. Ich kannte ja mittlerweile beide Wege zum Zugbahnhof und wusste, dass es nicht mehr weit war. Die Rikscha holte die vergeudete Zeit wieder rein und am Zugbahnhof verlangte der Fahrer 20 Rs. Ich wollte aber wie vereinbart nur 10 Rs bezahlen. Nach einiger Streiterei wollte er kein Geld mehr haben, aber ich bestand darauf, ihm 10 Rs wie abgemacht zu geben. Ein anderer Fahrer mit besserem Englisch mischte sich ein und versicherte mir, dass die Fahrt vom Goldenen Tempel bis zum Zugbahnhof 20 Rs kosten würde, woraufhin ich sagte, dass ich noch nicht einmal die Hälfte der Strecke gefahren wurde. Ich hinterließ 10 Rs und rannte schnell zu einem Schalter auf der anderen Seite, um den Status meines Tickets zu erfragen. Mit der Bestätigungszusage und der Gleisinformation begab ich mich zum entsprechenden Bahnsteig, weil der Zug gerade eingefahren war. Dort suchte ich meinen entsprechenden Schlafplatz, quartierte mich dort ein und legte mich sehr bald schlafen. Endstation des Zuges ist Haridwar, wo wir zwischen 7 und 8 Uhr ankommen sollen.
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