Samstag, 13. März 2010

Samstag, den 13. März 2010 – Amritsar Tag 1, der Goldene Tempel und die Sikh

Heute schlief ich richtig aus, denn für den heutigen Tag war nicht viel geplant. Ich wollte lediglich die Gegend erkunden und mich natürlich um meine Fahrkarte(n) kümmern. Als ich aufstand, waren die Leute aus dem Schlafsaal schon längst verschwunden und draußen war der Hof bereits leer und gereinigt. Ich machte mich fertig und ging zunächst in Anbetracht der Zeit Spätstücken. Es gab eine andere Speise als gestern Abend, die sehr lecker schmeckte. Wieder zurück im Schlafraum, waren gerade zwei deutsche Mädchen angekommen, die auch hier schlafen wollten, aber irgendwie kein freies Bett fanden. Auf dem Boden auf jeweils einer Decke wollten sie nicht übernachten und so teilten sie sich auf meinen Hinweis das noch freie Bett zwischen Julia und meinem. Mit Julia ging ich dann noch ins direkt um die Ecke liegende Internetcafé, wo ich kurz meine E-Mails prüfte und meine Bilder von den Speicherkarten auf die Festplatte kopierte. Julia fiel dabei auf, dass Sie heute Geburtstag hatte und so gratulierte ich ihr direkt einmal. Danach machte ich mich auf den Weg zum Zugbahnhof, den Weg dahin kannte ich ja bereits. Dort angekommen bin ich dieses Mal zu dem Tempel zugewandten Zugbahnhofseingang gegangen, weil ich mir damit den Weg über die Brücke sparte.
Es gab mehrere Schalter und ich stellte mich natürlich an den fast leeren Schalter an, wo ich meine gewünschten Auskünfte erhielt. Danach überlegte ich hin und her, ob ich direkt nach Bikaner fahren wolle oder doch den Umweg über Haridwar wagen sollte. Hierfür musste ich jeweils eine Fahrkarte mit Wartelistenplatz besorgen, da keine garantierten Reservierungen mehr möglich waren. Ich beschloss nach Haridwar zu fahren und stellte mich am leersten Schalter an und wunderte mich, warum sich immer wieder Leute scheinbar zu recht vordrängelten. Ich stand am Schalter für Behinderte und Frauen, die hier bevorzugt behandelt wurden. Deshalb wurden auch immer wieder irgendwelche Ausweise oder Papiere vorgezeigt, um den Anspruch des Schalters geltend zu machen. Da hätte ich also noch lange warten können. So wechselte ich an einen der vollen Schalter und stand dort natürlich lange an. Zwei ausländische Mädels kamen deutlich nach mir am Frauenschalter an und waren noch vor mir mit Tickets in der Hand wieder weg, diese Glücklichen. Als ich am Schalter endlich dran war, erkundigte ich mich nach Fahrkarten für Touristen, aber diese gab es hier nicht. Da ich unsicher war, überdachte ich alles noch einmal und verließ zunächst die Warteschlange. Im Anschluss an meine Entscheidung musste ich mich damit erneut anstellen, mir nach der Auskunft am Informationsschalter ein Ticket mit Wartelistenreservierung kaufen und die Touristenquote im Anschluss an den Ticketkauf beantragen. Gesagt, getan, kaufte ich mir sowohl eine Fahrkarte von Amritsar nach Haridwar als auch von Haridwar nach Bikaner. Der Aufenthalt in Haridwar beträgt damit nur einen Tag ohne Übernachtung.
Danach musste ich nach Auskunft von Bahnangestellten auf die andere Seite des Bahnhofs und dort die Touristenquote beantragen. Auf der anderen Seite fragte mich durch. Nach ca. einer halben Stunde und einiger Rennerei hatte ich auch endlich meine Touristenquote im Raum 2 für die Fahrt nach Haridwar im beantragt. Irgendwie wusste keiner so recht, wo man solch eine Touristenquote beantragt, sodass ich von einer Stelle zur nächsten geschickt worden war, die teilweise noch in unterschiedlichen Gebäudeteilen des Zugbahnhofs lagen. Neben dem Zugbahnhof lag ein sehr nettes und hilfreiches Touristenbüro, das mir für den Rückweg zum Goldenen Tempel den kostenlosen Bus, der zwischen Zugbahnhof und Tempel verkehrt, empfahl. Es war natürlich klar, dass die Haltestelle voll mit Personen war und eigentlich hätte ich mir das kommende auch denken können: Der Bus kam zum einen verspätet an und war zum anderen proppenvoll. Die Leute konnten kaum aussteigen, weil man von außen möglichst gleichzeitig versuchte in den Bus zu gelangen, um sich einen Sitzplatz zu sichern. Andere steckten einige Gepäckstücke durch die vergitterten Fenster, um sich drinnen Sitzplätze zu reservieren. Als endlich alle Leute ausgestiegen waren, quetschte man sich in den Bus, welche ziemlich schnell voll war. Der Großteil der Leute stand natürlich noch draußen. Ich vermutete, dass es beim nächsten Bus nicht anders sein wird und so lief ich den Weg zurück zum Tempel.
In der umliegenden Umgebung des Tempels guckte ich mich direkt noch nach günstigen Internetcafés mit Skype um und wurde auch fündig. Anschließend guckte ich mir den Tempelinnenhof an, den ich natürlich nur barfuß mit einem Kopftuch bedeckt betreten durfte.


Der Innenhof mit Ausblick auf den von Wasser umgebenen Goldenen Tempel war sehr sauber und in weißem Marmor gehalten. Über die überall angebrachten Lautsprecher erklang die Stimme des Vorlesers aus dem heiligen Buch. Nach einigen Fotos beim Sonnenuntergang ging ich zur Essenshalle und aß mir mein Abendessen.


Dabei lernte ich Ranjeet kennen, der ein sehr wissbegieriger, offener 18-jähriger Inder ist und der Sikh-Religion angehört. Er ist sehr an Ausländern interessiert und freut sich, wenn er sein Englisch mit diesen üben und verbessern kann. So bekam ich eine seltene Gelegenheit mehr über die Sikh-Religion sowie deren Geschichte zu erfahren und mir nebenbei mehr vom Tempelkomplex anzugucken. Ranjeet zeigte mir in der Geschichtsstunde den Essensaal und erklärte mir, was die Bilder an den Wänden im Essenssaal zu bedeuten hatten, schließlich waren auf den Bildern Heilige der Sikh abgebildet. Danach zeigte er mir die Küche mit den sehr großen Kübeln und Töpfen, sofern man das noch einen Topf nennen konnte, in denen die Suppen und Gerichte hergestellt wurden. Außerdem zeigte er mir die Chapati-Produktionsmaschine und Plätze, an denen Essen speziell für bestimmte Leute im Tempel hergestellt wird. Einmal half ich beim Tragen von einigen Kübeln beim Stapeln von Speiseölkanistern.




Dabei erzählte mir Ranjeet immer mehr über alles, was ich zu sehen bekam. Ich war überwältigt und freute mich sehr, über diese vielen detaillierten Informationen sowie gleichzeitig die Möglichkeit zum Helfen zu haben. Ich helfe schließlich immer gerne. Danach gingen wir nach gegebener Erlaubnis runter in den Vorratskeller unterhalb des Essenssaals, welcher riesig war. Dort war es kühler als draußen und Ranjeet erzählte mir von den 10. Heiligen der Sikh, was diese Personen alles in der Vergangenheit gemacht hatten, welche Probleme sie mit der indischen Regierung hatten, wie das heilige Buch entstanden ist und warum daraus vorgelesen wird. Es war unwahrscheinlich viel, sodass ich mir nur einen Bruchteil davon merken konnte. Wer mehr dazu wissen möchte, sollte sich an dieser Stelle besser die Informationen aus dem Internet oder direkt bei einem Sikh einholen. Jedenfalls erkennt man einen Sikh immer an der natürlich gepflegten Haarpracht, die unter einem recht kompliziert gebundenen Turban versteckt ist – kein Sikh rasiert oder schneidet seine Haare, da diese von der Natur immer nur eine natürliche individuelle Länge bekommen – wozu auch der lange Bart gehört. Des Weiteren erkennt man einen Sikh an einem kleinen Dolch, der die Möglichkeit der Verteidigung symbolisiert, falls notwendig, und einem Armreif ursprünglich zum Schutz vor Schwerthieben. Im Sikhismus gibt es nur einen Gott und vor dem sind alle gleich. Deshalb essen auch unabhängig von Rang, Herkunft und Geschlecht alle Personen auf dem Boden, um diese Gleichheit verstärkt zu betonen.
Nachdem wir aus dem Vorratskeller wieder rausgingen, genehmigten wir uns am Eingang zum Essensgebäude noch einen leckeren Chai-Tee, den es hier auch kostenfrei gab. Von dort setzten wir unseren Weg zum äußeren Bereich des Tempelkomplexes fort, wo neben einem Turm ein weiterer heiliger Teich mit einem kleinen Gebäude existierte. Der dort erbaute Turm wurde zu Ehren von Frau Dhan Dhan Mata Kaulan Ji nach ihrem Tod errichtet. Sie stand in einer bestimmten Weise mit Sri Guru Hargobind Sahib Ji – einem der heiligen Zehn – in Verbindung. In ganz Amritsar darf kein Gebäude höher als dieser Turm gebaut werden, sonst wird das entsprechende Gebäude einfach abgerissen.
In dem Turm drehte ich unten eine Runde und wir schauten danach noch kurz an einem kleinen Tempel um die Ecke vorbei. Dort guckte ich mich in der Zwischenzeit, während Ranjeet kurz niederkniete, um und tat es ihm anschließend gleich. Danach wurde der Tempel gereinigt und geschlossen und wir beide packten mit an. Es machte mir Spaß, das Wasser zu tragen und damit erneut zu helfen. Daraufhin musste ich mich anschließend zu den Helfern setzen und mitessen, obwohl ich kurz zuvor noch gut gegessen hatte. Schließlich wollte ich nicht unhöflich sein und genoss so eine weitere kleine Mahlzeit. Von dort gingen Ranjeet mit mir zum Pool, der für die Frau Dhan Dhan Mata Kaulan Ji in Gedenken an ihre Taten errichtet worden war. Das Gebäude am Ende des Pools war eine weitere große Predigthalle mit vielen Ventilatoren und Bilder bzw. Erklärungstafeln. Wieder zurück auf der anderen Seite des Pools traf Ranjeet einen weiteren guten Freund, der mir nachher beim Wegbringen des Heiligen Buches, das gegen 22 Uhr stattfinden soll, weitere Details erzählen wollte. Ranjeet verabschiedete sich anschließend, da er nach Hause musste.
Zurück in der Unterkunft versuchte ich mit Julia im Schlepptau Ranjeets Freund am Eingang zum Goldenen Tempel zu finden. Eigentlich hätte es klar sein müssen, dass bei den Menschenmassen, die sich dort versammelt hatten, um den Abtransport des heiligen Buches mit zu erleben, dies nicht möglich war. Das Buch wird jeden Abend sicher untergebracht und jeden Morgen wieder zurück in den Goldenen Tempel gebracht. Wir sahen nur, wie eine schön geschmückte auf zwei langen Stöcken getragene Sänfte oder so ähnlich im Toreingang verschwand und irgendwann wieder zurückkam und wohl das Buch trug.
Danach verschwanden sie damit im direkt gegenüberliegenden Gebäude und die Menschenmasse löste sich langsam auf. Ich ging mit Julia zurück zum Essensgebäude und genehmigte mir einen Chai-Tee mit ihr. Sie ging daraufhin ins Bett und ich schrieb noch etwas an meinem Tagebuch. Da die Mädels im Zimmer schlafen wollten, es war auch schon spät, ging ich weiter Chai-Tee trinken und schrieb nebenbei weiter. Durch die vielen Chai-Tees musste ich natürlich auch öfter auf Toilette, was wieder viel Lauferei bedeutete. Während dem Schreiben kamen auch einige neugierige Inder auf mich zu und versammelten sich so zu einer kleinen Menge um mich herum. Den Tempelangehörigen gefiel das genauso wenig wie mir, weswegen ich meinen Chai-Tee austrinken und mir ein neues Plätzchen zum Schreiben suchen musste. Zwischen 1 und 2 Uhr morgens verschwand ich dann auch endlich im Bett.

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