Dienstag, 23. März 2010

Dienstag, den 23. März 2010 – Hochzeitsfeier einer niedrigen Kaste in Pushkar, Abreise nach Jodhpur

Diese Nacht hatte ich auch wieder gut geschlafen und an diesem Tag steht eine Hochzeit in dieser ländlichen Gegend an. Morgens hatte ich nicht viel zu tun und so vertrieb ich mir nach dem Frühstück die Zeit damit der Familie noch mehr Holz zu sammeln und Wasser zu holen. Beim Wasserholen half mir ein Nachbarsjunge, den ich nicht so sehr mochte, weil ich das Gefühl hatte, dass er mich veralbert. Das konnte aber auch einfach nur ein Gefühl sein, da die Kommunikation bei uns nur über Gestiken funktionierte, da ich weder Hindi noch er Englisch konnte. Mit Annie hatte ich mich des Öfteren über die Lebensverhältnisse meiner Gastfamilie unterhalten und sie meinte, dass Wasser schon eine wichtige Sache für die Leute wäre. Also holte ich im Vormittagsbereich noch ein weiteres Mal Wasser. Schließlich hatte ich bis zu Hochzeit am Mittag viel Zeit. Balu, der bereits gestern das Pferd gewaschen hatte, striegelte das Pferd heute und bereitete es für die Hochzeit vor. Dabei hatte er das angetrocknete Henna abgemacht, welches eine rote Farbe an den Füßen des Pferdes hinterließ. Anschließend schmückte/dekorierte Balu das Pferd, damit es schön stattlich für die Hochzeit aussieht. Rahgu war die Nacht sehr spät wiedergekommen, wovon ich nichts mitbekommen hatte. Er erzählte es mir nur später. Außerdem hat er sich sehr über Balu geärgert, weil mal wieder der Benzintank leer war. Er hatte dem Nachbarn ein wenig Benzin abgekauft, da er keine Lust gehabt hatte, das Moped bis zur Tankstelle zu schieben, die vom Haus aus ein ganzes Stückchen weit weg lag. Danach war er mit dem wenigen Benzin das Moped volltanken gefahren und hatte in dem Zug direkt einiges Wichtige erledigt. Danach holte er gegen 11 Uhr Annie ab, womit der Vormittag schnell rumging.
In Khajuraho hatte ich von den vielen Kuhfladen am kleinen See berichtet, die dort getrocknet wurden. Wozu die später verwendet werden sollten, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, doch hier in Pushkar ging mir ein Licht auf. Bei der Familie war es nämlich so, dass die Kamelfladen aufgesammelt und zu kleinen Klumpen geformt werden, die, wenn sie einmal getrocknet sind, zum Feuermachen wie Kohle oder ähnliches verwendet werden. Diese „Ersatzkohle“ wurde aufgespart, als ich das viel gesammelte Holz brachte, denn man weiß ja nie. Auf dem Hof, gab es neben dem Kamel und dem Pferd einen kleinen angeleinten Hund, der noch sehr jung und spielwütig war. Heute Morgen hatte er sehr komische Laute von sich gegeben, die Rahgu beim Schlafen störten. Eigentlich wollte er nur mit mir spielen und von der Leine befreit werden. Rahgu hat daraufhin den Hund geschlagen und weggeschickt, damit dieser Ruhe gibt. Rahgu meinte später, dass es das erste Mal war, das er das getan hat. Der Hund wird später wiederkommen und so geschah es auch. Dann gab es auf dem Hof noch eine Kuhmutter mit ihrem Kalb. Als diese trächtig war, gab sie ausreichend Milch ab, aber jetzt wo sie das nicht mehr ist, gibt sie auch keine Milch mehr. Hier in Indien sind die Kühe heilig und werden auch dementsprechend behandelt. Man fährt auf Straßen um sie rum, scheucht sie mal weg, wenn sie im Weg stehen, tut ihnen aber nichts. Wenn die Kühe keine Kinder bekommen, bekommt man auch keine Milch von ihnen. Es ist nicht so wie in anderen Ländern, dass sie zur Milchproduktion „gezwungen“ werden. Die Israelin Nessy findet das gut so, schließlich setzt sie sich für Tiere ein und ist aus guten Gründen Vegetarierin.
Rahgu erzählte mir später, dass er und seine Brüder zwar Hindi und Englisch sprechen, aber weder lesen noch schreiben können. Ihn stört das und er hält es für wichtig, Lesen und Schreiben zu können, weswegen er seine Tochter konsequent zur Schule schickt. Sie soll eine vernünftige Ausbildung haben, um später einen guten Job zu bekommen. Als Annie nun da war und das schön dekorierte Pferd betrachtete zog ich mir die von Vivek geschenkten indischen Sachen an und machte mich damit für die Hochzeit fertig. Gegen 13 Uhr bekam Balu die Info, dass er jetzt gehen müsse und so liefen Annie und ich ein paar Minuten später auch zur Hochzeitsveranstaltung. Auf dem Weg dahin sah ich am Wegrand Reste eines Kuhkadavers, der einfach so da rumlag. Vor dem Platz, wo sich die Bräutigams aufhielten, war viel Trubel. Die Pferde wurden an der Seite unter einem Sims in den Schatten gestellt, weil sich alles um ca. eine Stunde verzögerte. Das Pferd vom Nachbarn war im Gegensatz zu Balus Pferd sehr nervös. Um Annie und mich herum versammelten sich viele Kinder und Schaulustige, da Fremde bei so einer Veranstaltung immer etwas Besonderes zu sein scheinen. Mich störte das ein wenig, doch ändern konnte ich es nicht. Als es endlich soweit war, mussten die Pferde in den Innenhof geführt werden. So ging ich auch mit auf den Hof, wo man mich natürlich direkt entdeckte. Nachdem die beiden Bräutigams gesattelt waren, konnte der Hochzeitsmarsch zum „Haus der Frauen“ losgehen.
Hierbei ging eine kleine aber trotzdem sehr laute Musikkapelle mit ihrem Musik- und Lautsprecherwagen vorweg und hinten folgten die Familienangehörigen tanzend.

Annie hatte sich etwas zurückgezogen, um Fotos zu machen und dem Trubel aus dem Weg zu gehen. Für die Hochzeit wurden zwei Pferde benötigt, weil zwei junge Männer gleichzeitig heirateten. In ärmeren Familienverhältnisse als denen, die der Kaste Brahmanen angehören, ist es eher üblich das mehr als eine Person zur gleichen Zeit heiratet, damit die hohen Priesterkosten geteilt werden können. Der Zug ging seines Weges und man entdeckte mich als Außenstehenden unter einem Schattigen Baum, der Fotos und Videos von dem Spektakel machte. Daraufhin sprach mich der Cousin von einem der Bräutigams an und wollte, dass ich mit in den engen Kreis der Tanzenden komme.

Ich konnte schlecht „Nein“ sagen und so fand ich mich kurzerhand in der tanzenden Menge wieder. Es wurde viel getanzte und wir kamen langsamen Schrittes dem Festplatz näher, wo die Bräute auf ihre zukünftigen Ehemänner warteten. Bevor der Torbogen durchschritten werden konnte, fand noch ein zeremonieller Empfang statt, der sich vom Empfang bei Viveks Hochzeit stark unterschied. Dies hängt wohl von den lokalen Gebräuchen ab und variiert mit diesen.

Als dann einige laute Knaller in der Nähe der Pferde gezündet wurden, erschreckte sich das Pferd von Balus Nachbarn, bockte und warf damit den Bräutigam ab, der sich glücklicherweise mehr erschreckt als verletzt hat. Danach wurden die Pferde weggeführt und die Hochzeitszeremonie ging weiter. Ich folgte zunächst Balu mit seinem Pferd, blieb aber, als dieser mit dem Nachbarn und den Pferden nach Hause zurückkehrte, noch auf der Hochzeitsfeier, weil man mich darum gebeten hatte. Angeblich sei es eine Ehre für so eine Hochzeit, wenn Ausländer den Feierlichkeiten beiwohnen.
So guckte ich mir das ganze Geschehen an, aß mit dem Cousin des einen Bräutigams und unterhielt mich viel mit ihm und seinen Freunden/Verwandten.
Priester bei der Trauung zweier Paare:
Unter anderem sprach mich so auch ein Junge an, der die Speisen und Getränke verteilte und mich zu sich um die Ecke einlud. Also ging ich, als er Pause hatte mit ihm, obwohl ich nicht sicher war, was er genau wollte. Um die Ecke standen kleine Zelte und Häuser und ein paar Leute ruhten sich dort im Schatten aus, welche sich sofort mit mir unterhielten. Nach kurzer Zeit wollte der Junge mit mir ins Haus gehen und sich dort ausruhen. Wir tranken etwas Wasser und er bot mir ein Bett an. Ich war jedoch vorsichtig und setzte mich nur hin, obwohl ich sehr müde war und Probleme hatte, mich wach zu halten. Schließlich kannte ich die Familie nicht. Nachdem ich mich ein wenig ausgeruht hatte, verabschiedete ich mich und ging zurück auf die Hochzeit, wo der Cousin bereits auf mich wartete.
Der Cousin und ich:
Er kannte die Person, mit der ich mitgegangen war, nicht und wusste somit auch nicht, was diese ggf. mit mir vorhatte. Er hatte sich einfach Sorgen um mich gemacht.
Auf dem Festplatz suchte mich ein Nachbarjunge von Balu und nahm mich mit zu Annie, die in der Nähe des Hochzeitplatzes bei einem Bekannten war. Nach einem kurzen Stopp bei Annie erfuhr ich, dass Rahgu mich später hier abholen und mit nach Hause nehmen wird. Also ging ich zurück auf die Hochzeit, weil ich dort zum Essen mit dem Bräutigam eingeladen war und nicht unhöflich erscheinen wollte. Ich aß mit der gesamten Familie beider Bräutigams, die beide eher verspannt auf mich wirkten.

Nachdem die Bräutigams wieder verschwunden waren, um der Abschlusszeremonie beizuwohnen, musste ich bei den Jungs noch auf das Abschiedsgeschenk warten, worum sich der Cousin kümmern wollte.
Er meinte nämlich, dass ich ohne ein Abschiedsgeschenk nicht von der Hochzeit weggehen dürfe. Also wartete ich und nach 15 Minuten, weil es wohl immer noch nicht bereit war, gab er mir 10 Rs, die er mir mit einem Autogramm und dem Hinweis, dass es ein Abschiedsgeschenk des Ehepaares sei, gab. Danach ging ich zu der Stelle, wo ich Annie zuletzt getroffen hatte und wartete da kurz auf Rahgu. Dieser zeigte mir noch ein in der Nähe stattfindendes Mannschaftsspiel auf einem freien Platz.
Es spielen immer genau zwei Mannschaften, die immer im Wechsel die aktive und die passive Rolle innehaben. Einer aus der aktiven Mannschaft muss einem aus der passiven Mannschaft auf den Fuß treten und wenn das geglückt ist, möglichst schnell wieder zurück zu seiner Mannschaft in das eigene Feld flüchten. Die anderen müssen nach dem „Auf den Fuß treten“ die Person fangen, bevor sie die eigene sichere Spielhälfte erreicht. Gelingt das nicht, bekommt die „Fußtreter“-Mannschaft einen Punkt ansonsten die andere. Danach wechselt die Aufgabe zur anderen Mannschaft, d. h. aktiver und passiver Part tauschen die Seite.
Nachdem wir uns das Spiel kurz angeguckt hatten, fuhr ich mit Rahgu zurück zum Haus, wo ich den Tag gemütlich ausklingen lassen konnte. Natürlich tat ich das nicht und holte noch einmal Wasser vom Brunnen, welcher im Gegensatz zu heute Morgen nicht mehr funktionierte. Da ich noch von einem anderen Brunnen wusste, der aber etwas weiter weg war, lief ich trotzdem mit den zwei großen 15 Litereimern dahin und machte die Eimer so voll ich konnte. Einer der Eimer hatte leider keinen Henkel, so dass ich diesen nur an dem schmalen Rand gepackt bekam und schräg halten musste. Der Weg mit diesen wasserbefüllten Eimern war lang und schwer, weshalb ich regelmäßige Pausen machte. Der Nachbar von Rahgu kannte mich bereits vom Sehen und seine Frau bot mir einen Chai-Tee an, den ich dankend ablehnte, weil ich die Eimer möglichst schnell zu Rahgus Haus bringen wollte. Dort angekommen, war Rahgu gerade nicht da, kam aber nach 5 Minuten wieder. Er hatte mich gesucht und sich um mich gesorgt, weil er nicht wusste wo ich war. Er meinte, es hätte ja etwas passieren können, indem irgendjemand Steine nach mir schmeißt oder anderes mit mir anstellt. Dann hätte er ein großes Problem bekommen, weil er mich nicht wie ein Hotel anmelden kann, somit auch nicht aufnehmen darf, weil er gegen Unfälle nicht abgesichert ist. Ich entschuldigte mich.
Nachdem ich noch etwas zu essen bekommen hatte, sortierte ich meine schwarze Daunenjacke aus. Annie hatte mir gesagt, dass Balu oder Rahgu sie sicherlich gebrauchen können, da es im Winter in Pushkar auch kalt werden kann. Balu passte meine schwarze Daunenjacke. Er freute sich und ich war froh sie in gute Hände abgegeben zu haben, anstelle sie einfach wegzuschmeißen. Danach gab ich Rahgu für die Übernachtung 200 Rs, was nicht viel war, aber immerhin dachte ich mir, dass er sich davon wenigstens seinen Wassertank neu vollmachen konnte. Ich musste ja gucken, wie ich mit meinem Geld jetzt hinkomme. Danach fuhr mich Rahgu gegen 18 Uhr mit seinem Kamel auf dem Kamelanhänger nach Pushkar. Rahgu war an meinen kaputten Sandalen interessiert, die ich wegschmeißen wollte, da ich sie nicht mehr geschafft hatte, reparieren zu lassen. Er freute sich und ich gab ihm noch Geld, damit er die Reparatur bezahlen konnte. Obendrauf legte ich noch weitere 50 Rs, denn die Familie konnte jedes Geld gebrauchen. Er erzählte mir, wie er Annie kennengelernt hatte und dass Annie ihm damals das Kamel gekauft hatte. Außerdem hat Annie ihm und seiner Familie wohl auch das Haus gekauft. Es muss schön sein, wenn man Geld hat und anderen damit helfen kann. Leider kann ich so etwas von meinem wenigen Geld noch nicht machen, aber wenn ich später einen vernünftigen Job habe, dann besteht da eher eine Möglichkeit.
Nachdem mich Rahgu gut nach Pushkar gebracht hatte, blieb mir bis zur Abfahrt des Busses nach Jodhpur viel Zeit. Also schlenderte ich noch gemütlich mit meinem großen Rucksack nach Pushkar rein und setzte mich am zentral gelegenen kleinen Platz auf einen der freien Sitzplätze des Cafés. Dort kaufte ich mir neben zwei Chai-Tees auch ein Brot für die Fahrt. In der ganzen Zeit, in der ich dort saß unterhielt ich mich mit Leuten oder hörte einfach nur irgendwelchen Gesprächen zu. So lernte ich unter anderem ein russisches Kartenspiel kennen, dass ich dreimal hintereinander spielte. Dann musste ich zum Busbahnhof losgehen, um bei einem überpünktlichen Bus diesen nicht zu verpassen. Am Busbahnhof traf ich noch ein paar andere Ausländer an, die auf dem Weg nach Jaisalmer waren. Weil deren Bus bereits Verspätung hatte, wurden sie von anderen Personen mit dem Auto einen Ort weiter mitgenommen. Ich wartete ca. 2 Stunden auf den Bus, sodass es schon nach Mitternacht war, als er endlich ankam. Dann kaufte ich mir eine Fahrkarte bis Jodhpur, nahm mir den einzigen freien Platz hinten im Bus und versuchte etwas zu schlafen. Als endlich ein Seitenplatz frei war, wechselte ich den Sitzplatz und schlief ein.

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